Wenn Tiefe als Drama abgestempelt wird
Was ist Tiefe für dich?
Lies nicht einfach weiter.
Halte kurz inne.
Was ist Tiefe – für dich?
Nicht das, was du gern hättest. Nicht das, was du von außen übernommen hast. Sondern das, was du in dir spürst, wenn es still wird. Kennst du diese Qualität?
Oder verwechselst du Tiefe mit kompliziertem Denken, mit emotionalem Aufruhr oder mit esoterisch gefärbter Melancholie?
Ich sage dir: Die wenigsten Menschen kennen Tiefe.
Viele haben sie nie erlebt.
Und wenn sie ihnen begegnet, verwechseln sie sie mit Drama. Mit Unbequemlichkeit. Mit Bedrohung.
Die Spaghetti-Gabel, die keiner will
Ich war schon immer tief.
Nicht, weil ich klüger war. Sondern, weil ich nicht anders konnte.
Ich habe gespürt, was unausgesprochen war.
Ich habe gesehen, wo andere weggeschaut haben.
Ich habe Fragen gestellt, lange bevor andere wussten, dass da überhaupt ein Thema war.
Und genau das hat dazu geführt, dass ich immer wieder gehört habe:
„Du bist zu viel.“
„Du bist unmöglich.“
„Du übertreibst.“
„Mach doch kein Drama.“
Aber es war nie ein Drama. Es war nur Tiefe. Und die ist für viele nicht auszuhalten.
Ich komm nicht mit der Keule (ok., manchmal schon). Ich komme mit der Gabel. Mit der Spagetti-Gabel.
Ich dreh das Thema auf, hebe es an – und sage:
„Schau mal hin. Da ist etwas.“
Und dann wird’s oft still. Oder abwehrend. Dann flüchten manche auch.
Weil das, was sichtbar wird, unbequem ist. Echt und unbequem. Und das bedeutet: Man kann nicht mehr so tun, als wäre alles okay.
Wenn das „Zu viel“ nicht dir gehört
Früher hat mich das verunsichert. Wenn ich gespürt habe, dass meine Tiefe nicht ankommt.
Wenn Menschen sich zurückgezogen haben, mich als schwierig oder überfordernd empfanden.
Ich habe gezweifelt. Mich gefragt, ob ich falsch bin.
Heute weiß ich: Ich war nicht zu viel. Ich war nur zu echt. Und das war für viele zu früh.
Es ist leichter, Tiefe als Drama zu bezeichnen, als zuzugeben, dass man sich nicht berühren lassen will.
Leichter, den Spiegel abzulehnen, als hineinzusehen.
Tiefe braucht Mut. Nicht, weil sie laut ist – sondern weil sie nichts beschönigt.
Sie konfrontiert.
Sie bleibt stehen, wo andere flüchten. Sie sagt nicht: „Alles gut.“
Sondern: „Hier stimmt etwas nicht – fühlst du das auch?“
Zwischen Sehnsucht und Flucht
Das Paradoxe ist: Die meisten Menschen sehnen sich nach Tiefe. Nach echter Verbindung. Nach Berührung.
Sie sagen: „Ich will mehr Echtheit. Mehr Wahrhaftigkeit.“
Aber wenn sie dann der Tiefe begegnen, reagieren sie mit Abwehr. Sie weichen aus. Werden still. Oder laut. Manchmal sogar abwertend, verurteilend.
Denn die Tiefe reißt den Lack runter. Und viele haben sich über Jahre hinweg aufwendig lackiert.
Tiefe ist kein Zustand für Zuschauer. Sie fordert Beteiligung. Sie macht dich sichtbar – für dich selbst und für andere. Und genau davor haben viele Angst.
Tiefe ist nicht Drama. Tiefe ist Stille, die dich trifft
Drama ist laut, reaktiv, aufgeladen. Tiefe ist das Gegenteil.
Sie ist die Stille, in der etwas in dir plötzlich in Bewegung gerät.
Nicht, weil es muss. Sondern, weil es lebendig ist.
Wenn du also das nächste Mal jemanden triffst, der nicht an der Oberfläche bleibt, der nicht drum herum redet, der deine Themen nicht umschifft,
sondern sie dir liebevoll – oder auch unbequem – hinlegt: Dann frag dich nicht, ob das zu viel ist.
Frag dich, ob du bereit bist.
Und wenn du bis hierhin gelesen hast …
… dann gehörst du wahrscheinlich zu den wenigen, die Tiefe nicht nur wollen, sondern auch aushalten. Oder du bist kurz davor, dich darauf einzulassen.
Vielleicht bist du selbst jemand, der sie in sich trägt – und oft daran zweifelt, weil andere sie nicht erkennen.
Vielleicht spürst du genau jetzt, dass du dich danach sehnst, mehr in Kontakt mit dir zu kommen. Ohne Masken. Ohne Versteckspiel.
Dann ist das hier kein Blogbeitrag.
Sondern eine Einladung.
Eine Erinnerung.
Ein leiser Ruf: Du bist nicht zu viel. Du bist Tiefe.
Und die wird nicht dramatisch – sie wird nur oft nicht verstanden.
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