Vertrauen ist kein Klick im Kopf

Vertrauen ist ein Weg durch deinen Körper

Viele glauben ja, zack ne Erkenntnis reicht. Du verstehst etwas, nickst einmal tief und glaubst, jetzt müsste sich dein ganzes System neu sortieren. Schön wär’s. So funktioniert der Mensch leider nicht.

Das, was du erkannt hast, muss in deinen Körper rutschen. In die alten Muster, in die unbewussten Ecken, die du am liebsten ignorierst. Und das dauert. Bei manchen zehn Wiederholungen, bei anderen fünfzig (um kleine Zahlen zu nennen). Du kannst es nicht vorhersagen. Du kannst es nur gehen und tun.

Früher musste ich mir zum Beispiel ständig sagen: Pass auf, dass du nicht zu viel Verantwortung übernimmst. Immer wieder. Hinschauen, bewusst keine Aufgaben übernehmen, die mich nix angingen. Ja, auch, wenn ich etwas schneller konnte. Immer wieder, wie ein Mantra. Bis irgendwann dieser Satz nicht mehr nötig war. Mal ist es gelungen, mal nicht. Bis mein Körper es von allein wusste. Bis es so selbstverständlich wurde, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, es je anders gemacht zu haben.

Das ist der Moment, wo etwas wirklich angekommen ist. Nicht im Kopf. Im Körper. Wenn du nicht mehr dran denken musst. Wenn es einfach da ist.

Bis dahin drücken sich die alten Teile, die noch nicht erledigt sind, nach oben. Nicht um dich zu ärgern, nicht um dich zu bestrafen. Sondern weil nichts von dir abgetrennt bleiben will. Alles, was du bist, will mit.

Und genau da beginnt dieses Gefühl von rausfallen. Dieses „Mist, ich war doch schon viel weiter“. In Wahrheit ist es kein Herausfallen. Es ist ein Tiefer-Rein. Genau zwischen absolutem Vertrauen und deinem alten reflexhaften Überleben. Zwischen Frieden und der Angst, etwas zu verlieren.

Wenn du diesen Mechanismus nicht verstehst, kann sich das ewig ziehen. Wirklich ewig. Und du bist gefrustet und wunderst dich, warum du immer wieder gefühlt beim selben Punkt landest.

Der erste Schritt? Normalisieren. Zu wissen: das gehört dazu. Menschen rutschen da immer wieder raus. Das ist kein Fehler. Das ist Biologie.

Es ist wie ein Bungee-Seil. Du springst. Du fällst. Du denkst kurz „Halleluja“. Und dann zieht es dich wieder nach oben. Immer wieder. Und eines Tages wird dieses Seil lockerer. Irgendwann löst es sich. Und dann springst du ohne Seil, ohne großese TamTam. Und merkst es kaum. Weil Vertrauen still geworden ist. Selbstverständlich.

Vertrauen fühlt sich weit an, nicht eng. Ruhig, nicht verkrampft. Wenn du merkst, dass du dich zusammenziehst, dass dein Atem flacher wird, dass du kontrollieren willst, dann bist du gerade draußen. Nicht schlimm. Nur gut zu wissen.

Vertrauen wächst Schritt für Schritt. Und ja, du musst dich dafür entscheiden. Nicht einmal. Immer wieder. Und manchmal vertraust du, und zack, Irrtum. Bumm.

Und genau hier passiert bei den meisten etwas Entscheidendes: Sie fallen raus. Sie sagen sich: „Siehste, hab ich’s doch gewusst. Vertrauen bringt nix.“ Und machen nicht mehr weiter.

Aber der Irrtum macht dich nicht zum Opfer deines Vertrauens. Er zeigt dir nur, was du noch lernen oder entdecken darfst. Dass Vertrauen nicht naiv ist. Dass echtes Vertrauen wach bleibt, nicht blind. Dass du vertrauen kannst UND gleichzeitig klar sehen darfst, was ist.

Das Leben hat Humor und was für einen. Und es hat Geduld. Mehr als du denkst.

Der Irrtum ist nie das Zurückrutschen. Der Fehler ist die Ablehnung des Irrtums und somit deines Zustandes. Denn genau das ist das wirkliche Herausfallen.

Die meisten Menschen werden in dieser Phase hart, mutlos, bis hin zu verbittert  zu sich. Sie verurteilen sich, statt zu sehen, was da wirklich passiert: ein System, das sich neu sortiert. Ein Körper, der lernt. Ein Mensch, der wächst.

Und genau deswegen begleite ich Menschen. In meiner Eins-zu-eins-Arbeit und in meiner Gruppe. Weil dieser Weg in Begleitung leichter geht. Weil jemand da ist, der sieht, was du gerade nicht sehen kannst. Der normalisiert, was sich für dich wie ein Scheitern anfühlt. Der mit dir dranbleibt, wenn dein System dich zurückziehen will.

Vertrauen ist kein Lichtschalter. Vertrauen ist ein Weg. Und je ehrlicher du gehst, desto leiser wird die Angst.

Claudia Schwab
Letzte Artikel von Claudia Schwab (Alle anzeigen)